So kommt das Wetter in die Flimmerkiste



Von wegen staubige Karten und Taschenrechner – heute wird das Wetter von teuren Computern gemacht. Wir wollten wissen, wie die Wettervorhersage ins Fernsehen kommt, und haben die Wetterfrösche vom ZDF in Mainz besucht und ihnen über die Schulter geschaut.

Das Unwetter kam. Bäume knickten um, Keller liefen voll, Gullys ertranken in den Wassermassen. Und einer wusste es, bevor überhaupt der erste Tropfen gefallen war: Dr. Gunther Tiersch, Leiter der ZDF-Wetterredaktion.
Von ihrem Büro im dritten Stock aus bewerten er und seine acht Kolleginnen und Kollegen täglich die aktuelle Wetterlage. Bis zu 20-mal pro Tag liefern sie dem ZDF-Zuschauer eine aktuelle Vorhersage. Dazu kommen noch Beiträge für die zwei Logo-Sendungen im Kinderkanal.

Es ist 11:30 Uhr. Draußen ist es schwül. Schon jetzt kann Tiersch an seinem Computer das Gewitter auf Deutschland zukommen sehen. Von der Schweiz zieht eine dichte Wolkenschicht auf Baden-Württemberg und Bayern zu. „Diese Wolkendecke wird für kräftigen Regen sorgen“, erklärt Tiersch anhand des Satellitenbildes.

Alle 15 Minuten bekommt er ein neues Satelliten- und Radarbild. Dazu kommen Messwerte von über 10.000 Messstationen auf der ganzen Welt. Die Daten für Deutschland werden stündlich aktualisiert. Der Rest der Welt ist nicht ganz so schnell. Hier erfolgt die Aktualisierung im Drei-Stunden-Takt. Gemessen werden zahlreiche Größen: Offensichtlich sind Angaben wie Temperatur, Luftdruck, Windrichtung und -geschwindigkeit. Außerdem werden auch Bewölkung, Höhenströmungen und Sonnenscheindauer erfasst. Zusätzlich steigen in Deutschland alle sechs Stunden zehn Wetterballons auf und messen in 1500 Meter Höhe.

Computer für 40 Millionen Euro

Heute hat der Tag für die ZDF-Meteorologen vergleichsweise spät angefangen. Da das Morgenmagazin in dieser Woche von der ARD produziert wird, ging es um 9:30 Uhr los. Sonst heißt es früh aufstehen: Um fünf Uhr geht der erste Wetterbericht auf Sendung. Dann fängt die erste Schicht schon um 3:30 Uhr an.

 

 

Die Arbeit eines Meteorologen besteht heute nicht mehr daraus, eine eigene Wettervorhersage zu machen. Vielmehr müssen sie die unterschiedlichen Wettermodelle gegeneinander abwiegen. Gunther Tiersch sagt: „Heute wird das Wetter gerechnet.“ Das heißt, Computer versuchen das Wetter für die kommenden Tage zu simulieren. Da jedes Land ein eigenes Modell benutzen möchte, hat auch jedes Land seinen eigenen Computer. Und die kosten Unsummen, der vom Deutschen Wetterdienst zum Beispiel 40 Millionen Euro.

Um 12:30 Uhr klingelt das Telefon. Die Redaktion der Sendung „hallo Deutschland“ aus Stuttgart fragt, ob das Unwetter auch in ihrem Bereich zuschlägt. Nur wenn sie früh genug Bescheid wissen, können sie rechtzeitig ein Reporterteam losschicken, das die Bilder einfängt, die wir in den Nachrichten sehen: Reporter in Gummistiefeln, überflutete Straßen und weggeschwemmte Autos. Auch für solche Anfragen ist die Wetteredaktion zuständig.

Unwetterwarnung

Jetzt muss der Meteorologe entscheiden, auf welches Modell er sich verlässt. „Meist zeigen alle Modelle eine ähnliche Vorhersage, aber manchmal trauen wir auch einem speziellen Modell mehr als dem anderen“, erläutert Tiersch. Hier spiele die Erfahrung mit ähnlichen Wetterlagen eine wichtige Rolle, so Tiersch weiter.

Mittlerweile ist es 13:30 Uhr. Tiersch beginnt, seinen Wetterbericht für die Nachrichten um 17:00 Uhr vorzubereiten, in denen er live auf Sendung gehen wird. Das Besondere am heutigen Tag: Statt den üblichen 70 Sekunden muss er über drei Minuten lang reden. Zunächst füttert er seinen Computer mit den gekauften Daten, der daraus verschiedenen Karten und Animationen berechnet.  Nun gleicht er die Ortstemperaturen mit den anderen Modellen ab und fügt Symbole in die Karte ein. Auf Grund des Unwetters sind dies heute zwei Warndreiecke: eines über Bayern und eines über Ostdeutschland. Er könnte genauso gut Luftströmungen oder Wetterfronten einzeichnen.

Dann schreibt er seinen Text und lernt ihn auswendig. Denn anders als die sonstigen Nachrichtensprecher, haben die Wettermoderatoren keinen Teleprompter zur Verfügung, das heißt, sie können aus technischen Gründen den Text nicht ablesen.

Letzte Details

Jetzt ist es 17:00 Uhr. Gunther Tiersch geht in Gedanken noch einmal seinen Text durch, während die Nachrichtensprecherin über den Gaza-Streifen und einen Mord in Potsdam berichtet. Er trinkt noch einen Schluck Mineralwasser. Noch im Laufe der Sendung werden letzte Details geklärt: „Wie kündigst du mich eigentlich an?“, fragt Tiersch seine Kollegin.

Um 17:12 Uhr wird es ernst. Tiersch geht live auf Sendung. Der Blick fest in Richtung Kamera begrüßt er die Zuschauer. Per Fernbedienung ruft er die verschiedenen Karten auf, rattert seinen Text runter. Drei Minuten dauert das Ganze, der Regen steht heute im Mittelpunkt.

Nach der Sendung muss Tiersch sofort weiter. Um 17:40 Uhr wird die Wettervorhersage für Nachrichten um 19:00 Uhr aufgezeichnet, dann geht es um 22:15 Uhr nach dem „heute journal“ weiter. Um 22:30 Uhr hat Gunther Tiersch Feierabend.

Ob seine Vorhersagen stimmen, wird erst Stunden später klar sein. Auch wenn die Computer und Modelle immer besser werden, ist jede Vorhersage nur eine Näherung. „Wir werden nie eine hundertprozentige Vorhersage haben“, meint Tiersch. „Vielleicht ist in Zukunft eine Prognose über die nächsten 14 Tage möglich, mehr aber nicht.“

Unberechenbares Wetter

Im Moment ist es möglich, Temperaturen auf drei Grad genau zu berechnen. Auch Regenfälle kann man auf mehrere Stunden genau vorhersagen. Dabei hängt die Genauigkeit von der Anzahl der Messdaten ab. Je weniger Material der Rechner zur Verfügung hat, desto ungenauer sind die Ergebnisse. Der Computer muss dann nämlich fehlende Daten schätzen. Diese entsprechen nicht genau der Wirklichkeit. Trotzdem lohnt es sich noch, die Wettervorhersage zu gucken. „Wir haben eine Genauigkeit von 90 Prozent für die nächsten 36 Stunden“, erklärt Tiersch. „Neun von zehn Prognosen sind also richtig.“

Trotzdem ist und bleibt das Wetter unberechenbar – ob nun mit Klimawandel oder ohne.

Verfasst von Philipp Seibt & Nicolas Werner

Im 'Forum' im September 2007

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