Tornados und der Klimawandel

Im Erdkundeunterricht unserer 9. Klasse haben wir das Thema Klimawandel behandelt. Dazu gab es in unserem Buch eine Abbildung über mögliche Auswirkungen des Klimawandels.
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         Abb. 1 Der anthropogene Treibhauseffekt

       Quelle: Klett Terra 9/10 für Gymnasium  Niedersachsen, S.226

Es kam die Frage auf, ob durch den Klimawandel wirklich mehr Tornados in Deutschland entstehen, wie es die Abbildung scheinbar zeigt.

Unser Erdkundelehrer ließ die Frage offen, weil auf dem Blockbild kein direkter Raumbezug hergestellt wird und meinte, die Schüler der Wetter-AG könnten das doch selbst herausfinden und der Klasse hinterher berichten.

Und das taten wir auch!

Wir recherchierten im Internet und fanden sehr interessante und z. T.  widersprüchliche Meinungen hierzu.


Wir schauten  uns zuerst einmal an, wie sich die Zahl der 
Tornados in Deutschland von 1800 bis 2005 entwickelt hat:

tornadomeldungen

                Abb2.         Zeitreihe der Tornado-Meldungen in Deutschland seit 1800

                    Quelle: http://www.tordach.org/de/tornado.htm

Die Abbildung stammt von TorDach, einer Netzwerkorganisation, in der mehr als 30 Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachrichtungen und interessierte Laien, Informationen über z.B. Tornados sammeln.

Diese Abbildung scheint den Trend zur Zunahme der Tornados eindeutig zu bestätigen:

Von 1800 bis 1880 wurden in den einzelnen Dekaden zirka.  um die 10 Tornados gezählt. Zwischen 1880 und 1940 kam es zu einer Steigerung von bis zu 100 Tornados (1930-40). Ein abrupter Abfall in der darauf folgenden Dekade (ca. 10 Tornados) unterbricht die starke Steigerung der Anzahl der Tornados. Erst ab der 1970er Dekade bis heute scheint sich die Zahl der Tornados exponentiell weiter zu entwickeln  bis zur Pentade 2000 -2005, in der fast 240 Tornados gezählt wurden.

Doch aufgepasst! Diese Informationen aus der Abbildung sind –unserer Meinung nach- nicht tragfähig!

Folgende eigene Überlegungen und Kritikpunkte aus dem Netz lassen uns zweifeln, ob die Abbildung die tatsächliche Entwicklung der Anzahl der Tornados widerspiegelt.

    1. Es bleibt unklar, welches Deutschland gemeint ist. Denn innerhalb dieser Zeitspanne (1800 – 2005) hat sich die Fläche Deutschlands und damit die potenzielle Beobachtungsfläche für Tornados erheblich verändert. So hatte die alte BRD 1989 248626 Quadratkilometer, während das Reichgebiet z.B. von 1937 eine Fläche von 470400 Quadratkilometer aufwies, d.h. die Fläche Deutschlands war 1937 um 47% größer.


2. Alfred Wegener hat Anfang des 20. Jahrhunderts sehr viele Tornadoberichte aus Deutschland zusammen getragen und 1917 in seinem Buch Wind- und Wasserhosen in Europa veröffentlicht. Daher kommt  der Anstieg der Meldungen ab 1880. In den 1930er Jahren hat Johannes Letzmann noch intensiver nach Tornadomeldungen geforscht. Ergebnis: Die 1930er Jahre verzeichnen einen weiteren Anstieg der gemeldeten Tornados (auf ungefähr 100). Erst die 90er Dekade übertrifft wieder diese Zahl

    3.  Die 40er Dekade führte wieder zu einem Rückgang auf etwa 1 Meldung pro Jahr, weil der  Wetterdienst im Deutschen Reich seinen Schwerpunkt auf das Flugwetter (Luftwaffe und Zivilschutz) konzentrierte  und nach dem II. Weltkrieg musste das Wettermeldenetz erst einmal wieder aufgebaut werden.

    4. Dank der Wetterforen im Internet wie TorDACH, Skywarn und Stormchasern und der praktisch  flächenhaften Ausstattung der Bevölkerung mit Handys und Smartphones können heutzutage ca. 80 bis 90% aller Ereignisse registriert und kategorisiert werden.

        5.Die Tornadostatistik in der DDR von 1949 bis 1990 ist zumindest unvoll-
        ständig
.  
       

Quelle: Vgl.  Punkte 2 und  4  bei http://www.tordach.org/de/tornado.htm

 

Fazit: Es kann nicht eindeutig gesagt werden, dass die Anzahl der Tornados im Rahmen des Klimawandels in Deutschland zugenommen hat, weil die Basis für die Statistiken hierzu zu ungenau und unvollständig sind.

Doch wie sieht es mit der prognostizierten Entwicklung der Zahlen der Tornados im Rahmen des Klimawandels in Deutschland aus?

Hier gibt es widerstrebende Meinungen:

Ein Vertreter der These, dass die Zahl (und die Stärke) der Tornados durch den Klimawandel womöglich weiter steigt, ist Prof. Dr. Mojib Latif von der Universität Kiel.

Er meint:

„Infolge der globalen Erwaermung erwarte ich aber, dass sich Tornados bei uns haeufen werden, da wir mit mehr starken Gewittern zu rechnen haben, die als Keimzellen fuer Tornados fungieren. Da wir bereits eine gewisse Erwaermung realisiert haben (in Deutschland ca 1 Grad in den letzten 100 Jahren), ist auch heute schon die Wahrscheinlichkeit fuer das Auftreten von Tornados leicht erhoeht."
Quelle: Zitat E-mail von Prof. Dr. Mojib Latif an Klaus Oellerer vom 22.07.2004
Demgegenüber gibt es wiederum Experten, die diese These anzweifeln. Sinngemäß wird gesagt: Die Behauptung, dass es -global gesehen- immer mehr Wasserdampf in der Atmosphäre gibt und somit mehr Wolken und die damit verbundenen zahlreicheren Gewitter entstehen, ist zwar grundsätzlich richtig, reicht aber nicht aus. Die Entstehungsbedingungen für Tornados sind so speziell und komplex und von kleinräumigen Einflüssen abhängig, dass es keinen unmittelbaren und direkten Zusammenhang zwischen der Klimaerwärmung und dem erhöhten Auftreten von Tornados gibt.

Quelle: Z.B. Zwei Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, 2001, 2007
Nachdem wir alles gesichtet und diskutiert hatten, waren wir uns einig, dass es z. Zt. keine stichhaltigen Hinweise für eine Zunahme von Tornados in der Vergangenheit bis heute gibt, und dass die zukünftige Entwicklung der Anzahl der Tornados in Deutschland während des stattfindenden Klimawandels erst durch effizientere Prognosemöglichkeiten möglich sein wird.
Diese Ergebnisse unserer Recherche trugen wir unserer Klasse vor, die von den Ergebnissen sichtlich beeindruckt war.
erstellt von Elias H.. und Florian A.; 9k3