Pflanze des Monats Juli |
||
Sie ist die Schönste im ganzen Land |
||
Die Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera) |
||
Foto: J. Hartmann
|
||
Ein seltenes Dokument: Bienen-Ragwurz
auf einer trockenen Zittergras-Wiese bei Göttingen |
||
Bei keiner anderen heimischen Orchidee erinnert die Blüte mehr
an ihre tropischen Verwandten als bei der Bienen-Ragwurz. Als ich sie das erste
Mal als Einzelpflanze sah, war ich erstaunt, verwundert, hoch erfreut. Im
vergangenen Jahr habe ich eine ganze Gruppe dieser „Juwelen“ entdeckt, am
Einzelberg bei Groß Schneen, also fast vor der Haustür (Foto oben). Gibt es
eine Steigerung von Glücksgefühl? Bei viele Menschen, die diese Blüte das erste
Mal am Naturstandort betrachtet haben, wurde die Liebe zur Botanik erweckt,
eine Liebe, die das ganze Leben andauerte. Farbenrausch, Formenzauber und zarte Eleganz kennzeichnen die Blüten der
Bienen-Ragwurz, und der Wuchsort dieser Pflanze vermittelt -wie auf dem Foto-
ein Gefühl von Wärme, Sonne und Licht. |
||
Foto: J. Hartmann
|
||
Die
großen äußeren Blütenblätter sind kräftig violett-rosa gefärbt und bald nach
dem Erblühen meist stark zurückgeschlagen (Foto oben: Seitansicht der Blüte).
Die inneren Blütenblätter sind schmal und behaart und meist grünlich rosa. Die
samtig braune, konvex gewölbte Lippe ist an den Rändern grün, und das grüne
Anhängsel am unteren Ende schlägt sie zurück (im Gegensatz zur sehr ähnlichen
Hummel-Ragwurz, bei der dieses Anhängsel nach vorne oben zeigt). Insgesamt
täuscht die Pflanze durch ihre Lippe vor, dass sie gerade von einem
bienenartigen Insekt bestäubt wird, zumal die verkümmerten inneren
Blütenblätter zusätzlich wie Fühler eines Insekts wirken. In ihrer mediterranen
Heimat versuchen nun vorbeifliegende Männchen mit dem vermeintlichen Weibchen
zu kopulieren, was zur Pollenübertragung und somit zur Bestäubung, Befruchtung,
Erhaltung und Vermehrung der Art führt. In unseren Breiten ist aber
Selbstbestäubung die Regel. Beim Öffnen der Blüte gleiten an einem langen
gelben Stielchen die beiden Pollenkörper („Pollinien“) aus den
Staubbeutelfächern und senken sich gegen die Narbe, bis sie diese berühren: die
Bestäubung ist vollzogen. |
||
Foto: J.
Hartmann
|
||
Den Vorgang
des Herunterschlagens der beiden Pollinien kann man gut an den oberen beiden
kleinen, nebeneinanderstehenden Fotos erkennen. |
||
Foto: J. Hartmann
|
||
Orchideen-Eldorado mit der Bienen-Ragwurz auf dem Heinebrink |
||
Foto: J. Hartmann
|
||
Bienen-Ragwurz auf dem Schotter der
alten Grenzanlagen, links im Hintergrund Rohrberg |
||
Die Blüte der Bienen-Ragwurz ist sehr variabel, wobei eine der auffälligsten Abweichungen „Orchis apifera var. flavescens“ darstellt, eine Albino-Variante. Ich fand sie auf dem Westberg bei Harste und auf dem Kerstlingeröder Feld im Göttinger Wald. |
||
Foto: J. Hartmann
|
||
Die interessanteste Abweichung aber ist „Ophrys apifera var. friburgensis“. Hierbei haben sich die beiden fühlerförmigen inneren Blütenblätter durch eine Mutation wieder zurück in normale Blütenblätter entwickelt. Der Botaniker spricht von einem „Atavismus“, einen Rückschlag in die Morphologie der Vorfahren, da bei den Orchideen ursprünglich alle sechs Blütenblätter voll ausgebreitet waren. Nach langer, langer Suche habe ich diese Variation 2016 auf dem Westberg bei Harste gefunden, an einer Stelle, wo vor 50 Jahren meine Leidenschaft für Orchideen, diesen Juwelen aus den Tropen, begann.
|
||
erstellt von J. Hartmann, ehemaliger Schüler und Lehrer am FKG, konfiguriert von Erhard L. im Juni 2017 |