Pflanzen des Monats August

Diese Pflanzen überleben mit einem Trick

Schmarotzer oder Parasiten

Seit DARWINs scharfsinnigen Beobachtungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wissen wir, dass nicht alle Tiere und Pflanzen gleichzeitig diese Erde besiedelten. Stattdessen kam es immer wieder zu Um- und Neubildungen von Arten, da unter den meist sehr zahlreichen Nachkommen eines Elternpaares häufig einige erbliche „Abweichler“ (Mutationen) auftraten, die möglicherweise an sich ändernde Umweltbedingungen besser angepasst waren, was dann nach einem „Kampf ums Dasein“ in einem „Überleben des Stärkeren“ endete. Schon DARWIN erkannte, dass diese „Stärke“ der neuen Art nicht unbedingt auf körperlicher Überlegenheit beruhen musste, sondern häufig führte schon ein kleiner Trick zur Fähigkeit zum Überleben, wobei es erstaunliche Parallelen zur menschlichen Gesellschaft gibt.

Wenn sich ein Individuum auf Kosten eines anderen ernährt (innerhalb derselben Art oder einer anderen Art), so nennen wir es einen Schmarotzer oder Parasiten. Fachleute bezeichnen es auch als „einseitiges Nutznießertum“, wo der eine auf Kosten des anderen profitiert, im Gegensatz zum „wechselseitigen Nutznießertum“, wo in einer Form von Zusammenleben („Symbiose“) beide Partner Vorteile haben. Bei Pflanzen trifft das vor allem für die große Gruppe der Flechten zu, eine Symbiose von Grünalge und Pilz, wobei die Grünalge durch ihre Fähigkeit zur Photosynthese die Kohlenhydrate produziert, während der Pilz mit seinem Fadensystem Wasser und Nährsalze aufnimmt. So können beide gemeinsam als „Flechte“ an Standorten wachsen, die sie allein nie besiedeln könnten, z.B. auf trockenharten Steinen wie auf dem Foto (Seiser Alm):

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Foto: J. Hartmann

Die bekannteste Strauchflechte ist wahrscheinlich das Isländische Moos. Es ist typisch für Moore, lichte Kiefernwälder und Zwergstrauchheiden. Verwendung findet die Pflanze in der Medizin, bei Floristen und im Modellbau.

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Foto: J. Hartmann

                                       Isländisches Moos auf trockenem, saurem Boden bei Göttingen

Innerhalb der Schmarotzerpflanzen gibt es eine „gemäßigte“ und eine „radikale“ Gruppe. Die Gemäßigten werden von den Wissenschaftlern als Halbschmarotzer (Hemiparasiten) bezeichnet. Sie besitzen selbst noch Chlorophyll, betreiben also Photosynthese und stellen somit ihren Zucker selbst her. Was unterscheidet sie dann von ihren grünen Verwandten? Die Halbschmarotzer bilden Saugwurzeln (Haustorien) aus, die -meist- in die Wurzel einer Wirtspflanze eindringen und dieser dann Wasser und anorganische wie organische Nährstoffe entnehmen. Zu dieser Gruppe gehören  mehrere Gattungen aus der Familie der Rachenblütler, z.B. Klappertopf, Läusekraut und Wachtelweizen. Alle drei dringen in die Wurzel von Gräsern ein, und da diese häufig große Flächen bilden, sieht man auch die Halbschmarotzer oft flächendeckend, z.B. den Acker-Wachtelweizen mit seinen auffälligen violetten „Hochblättern“:

     
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Foto: J. Hartmann
                                                     
                                                   Acker-Wachtelweizen auf dem Heinebrink bei Ischenrode


Den Bestäubern ist es übrigens egal, woher bzw. von wem der Blütennektar letztlich stammt.

Ein weiterer grüner Halbschmarotzer ist die Gattung Läusekraut. Man kann eine Art in der Nähe von Göttingen auf dem Hohen Meißner in der Struthwiese finden, und in den Alpen bildet eine andere Art rote und weiße Blüten aus:

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Foto: J. Hartmann

Die „Vollschmarotzer“ weisen vielfach einen höchst eigenartigen, von dem der grünen Verwandten erheblich abweichenden Bau auf. Da sie ihre „Zuckerfabrik“ schließen mussten, wurden mit der Verminderung des Chlorophylls ihre Blätter überflüssig und zu unscheinbaren, gelblichen Schuppen reduziert. Oft fehlen sie auch ganz. Da infolge der Blattreduktion die Transpiration eingeschränkt ist und außerdem viele Parasiten die Wasserleitungsbahnen ihrer Wirte anzapfen, schwinden häufig sogar die Wurzeln. Bekannte einheimische Beispiele sind die Nesselseide, die Sommerwurz und drei Orchideen-Arten. Als nichtgrüne Pflanzen können  die Vollschmarotzer auch im tiefsten Waldschatten gedeihen!

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Foto: J. Hartmann

Diese Sommerwurz parasitiert auf Schmetterlingsblütlern (in der Nähe von Göttingen bei Groß Lengden!), und die Nestwurz zapft Rotbuchenwurzeln an, wobei sie weitgehend ohne Licht auskommen muss.

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Foto: J. Hartmann
Nestwurz bei Klein Lengden

Wie man sieht, bildet die schmarotzende Nestwurz richtige Orchideen-Blüten aus, die am dunklen Waldboden von Fliegen bestäubt werden müssen.

Eine Besonderheit ist die bekannte Mistel, die ihre Rindenwurzeln in den Stamm von Weichhölzern (Pappel, Linde u.a.) treibt. Die klebrigen Beeren werden von Vögeln weitertransportiert, und die Zweige dienen als symbolträchtiger Weihnachtsschmuck.



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Foto: J. Hartmann

Mistel als grüner Halbschmarotzer auf einem Laubbaum am Heinebrink

Zusammenfassend erkennt man deutlich, dass der Trick „selbst nicht arbeiten und von anderen miternährt werden“ schon früh während der Evolution erfunden wurde und scheinbar auch heute noch bei einigen menschlichen Mitbürgern zunehmend beliebt ist. Man muss noch darauf hinweisen, dass nicht alle Pflanzen, deren Name auf -wurz endet, wirklich auch Schmarotzer sind. Die nichtgrünen Blütenstände der Pestwurz sehen im Frühjahr den Schmarotzern zwar täuschend ähnlich, im weiteren Jahresverlauf bildet diese Pflanze aber große (an Rhabarber erinnernde Blätter) und ernährt sich somit selbst.

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Foto: J. Hartmann
erstellt von J. Hartmann ehemaliger Schüler und Lehrer am FKG, konfguriert von Erhard L., Juli 2017