Pflanze des Monats April

Durch Zufall entdeckt:

Schachbrettblumenwiese an der Unterweser

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Foto: J. Hartmann

Auszug aus meinen Aufzeichnungen:

„Als am späten Nachmittag noch einmal kurz die Sonne zum Vorschein kam, glaubten wir zu träumen. Zwischen gelben Hahnenfuß- und Löwenzahnblüten strahlten kontrastvoll rotpurpurne und cremeweiße Glocken, und jeder Windstoß schien leise Töne hervor zu zaubern. Im Gegenlicht leuchteten die Glocken wie Lampenschirme, und auf den dunklen Blüten wurde ein schachbrettartiges Muster erkennbar, das diesen zauberhaften Pflanzen den Namen gab. Nach langer Suche war unsere Sehnsucht Wahrheit geworden.“

Direkt an der Bundestraße B 74 zwischen Bremen und Berne liegt diese Wiese, unmittelbar am Fähranleger. Sie ist als Naturschutzgebiet auf der alten Weserinsel „Juliusplate“ ausgeschildert, und auf ihre Besonderheiten wird auf großen Tafeln hingewiesen. Wir sind schon oft auf dieser Straße nach Oldenburg gefahren und wir haben schon mehrmals im Hotel „Weserblick“ gefeiert. Direkt am Hoteleingang liegt diese Wiese, unglaublich! Mehrere Verwandte und Bekannte wohnen in Bremen, und keiner hat uns in den vergangenen Jahrzehnten auf dieses Paradies hingewiesen. Ein Paradies voller Edelsteine, ja Juwelen und Brillanten.

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Die Schachbrettblume ist eine mehrjährige, kleine Staudenpflanze mit einer Zwiebel von der Größe einer Haselnuss. Sie ist ein Liliengewächs und gehört zur Gattung Fritillaria, die mit etwa 100 Arten auf der Nordhalbkugel vertreten ist. Eine weitere bekannte Art der Gattung Fritillaria ist die Kaiserkrone (Fritillaria imperialis). Die Heimat dieser Blume liegt in den grundwasserfeuchten Nasswiesen und Flussauen Süd- und Osteuropas. Sie ist eine Zeigerpflanze für Nässe und kommt bei uns auf Feuchtwiesen, in Sümpfen und an halbschattigen Bachläufen vor. An ihren Standorten bildet sie oft größere Bestände aus, was bei Betrachtern leicht zu dem Trugschluss führen kann, dass die Schachbrettblume eine häufige Pflanzenart wäre. Durch menschliche Eingriffe in die letzten Feuchtbiotope (Trockenlegung) gehen immer mehr Standorte für die Schachbrettblume verloren. Zudem ist das Mähen der Wiesen vor der Samenreife Ende Juni extrem schädlich für den Bestandserhalt. Früher wurden die nassen Wiesen erst viel später gemäht, weil sie dann erst etwas abgetrocknet waren. Eine Düngung der Feuchtwiesen führt sehr schnell zu einer Überwucherung der Schachbrettblumen und damit zu ihrer Verdrängung. Früher hat sie sich bei Überschwemmungen immer weiter verbreiten können. Diese Form der Verbreitung ist ihr durch den modernen Deichbau und Gewässerschutz weitgehend genommen worden. Immerhin liegen die Wiesen auf der Juliusplate bei Bremen mindestens einmal im Jahr unter Wasser –meist im Spätwinter oder zeitigen Frühjahr. Zu Zeiten des 1. Weltkrieges gab es auf den Hamburger Elbwiesen noch riesige Vorkommen von Schachbrettblumen, die dann auf den Wochenmärkten verkauft wurden. Noch heute liegt das größte und bekannteste Schachbrettblumengebiet in der Elbemarsch bei Hamburg, wo die Gemeinde Hetlingen in der Blütezeit von über 100 000 Exemplaren alljährlich ein Schachbrettblumenfest veranstaltet. Auch im Gemeindewappen erkennt man –neben zwei Kopfweiden- drei dieser Blumen. Die Schachbrettblume, deren Blüte auch weiß gefärbt sein kann, blüht im April und Mai.
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Foto: J. Hartmann
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Foto: J. Hartmann
Obwohl in allen botanischen Fachbüchern zu lesen ist, dass die Schachbrettblume „auf feuchten Wiesen“ wächst, habe ich in meinem Garten eine andere Erfahrung gemacht. Hier gedeiht sie auch auf „normaler“ Gartenerde prächtig (Foto), und sogar im trockenen Steingarten hat sie sich gut behauptet. Man kann also nicht sagen, dass die Schachbrettblume Feuchtigkeit „lieben“ würde. Sie kann die Nässe nur gut vertragen. Und warum wächst sie dann auf den nicht gerade optimalen Feuchtböden?  Auf besseren Böden wachsen andere Pflanzen besser bzw. schneller und verdrängen auf Dauer das kleine Liliengewächs. Auf feuchten Böden, wo die Konkurrenz anderer Pflanzen geringer ist, hat die zarte Schachbrettblume eine Chance, zumal sie wegen ihrer Knolle sehr früh austreiben kann, wenn andere Pflanzen noch nicht ihre endgültige Höhe erreicht haben. Einzige Voraussetzung ist, dass keine Bäume aufkommen können und zu viel Schatten werfen. Die Wiese muss also jährlich gemäht werden, und im Garten verschafft die pflegende Hand des Menschen das benötigte Licht.
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Foto: J.Hartmann
Schachbrettblumen in meinem Garten

Mit ihren glockenartigen Blüten läuten die wunderschönen Schachbrettblumen den Vollfrühling ein und signalisieren damit den Beginn einer hellen und warmen Jahreszeit.
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Foto: J. Hartmann

Doch auch in unserer Region gibt es Standorte, auf dem die Schachbrettblume prächtig gedeiht. Unterhalb der ehemaligen Standortschießanlage in Hessisch Lichtenau liegen die Glimmeröder Feuchtwiesen, die vom Naturschutzbund (Nabu) unterhalten und geschützt werden. Offensichtlich bieten die feuchten Wiesen und die sonnige Lage ideale Bedingungen für die Pflanze  (ungefährer Standort: siehe Kreis im  Kartenausschnitt).
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                                      Quelle: OpenStreetMap

erstellt von J. Hartmann ehemaliger Schüler und Lehrer am FKG, konfguriert von Erhard L., März 2017