Pflanze des Monats April
Das Stattliche Knabenkraut
Mit Orchis mascula beginnt wieder die Zeit der Orchideen
Die meisten Menschen verbinden mit dem Wort Orchideen Vorstellungen von tropischen Ländern mit ihren Urwäldern, wobei den exotisch-schönen Blüten dieser Pflanzen tatsächlich noch etwas von der Ferne anhaftet, aus der sie ursprünglich kamen. Aber auch bei uns, in der gemäßigten Zone, gedeihen Orchideen, die den gleichen Zauber ausstrahlen wie ihre tropischen Verwandten. Orchideen sind mit ca. 30 000 Arten fast über die ganze Erde verbreitet. Ca. 200 Arten gibt es davon in Europa, ca. 60 wachsen in Deutschland, und 46 werden für das Bundesland Hessen genannt, wobei davon aber 8 Arten als erloschen oder verschollen gelten. Der Artenreichtum nimmt von den Tropen nach Norden hin ab, denn Orchideen sind Kinder des Lichtes und der Wärme. Bei uns ziehen sich die Orchideen zum Überwintern in den Erdboden zurück, wo sie vor der Kälte geschützt sind. Epiphyten wie in den Tropen, die in Baumkronen wachsen, würden hier erfrieren. Unsere wilden Orchideen sind daher allesamt „Erdorchideen“.
Alle in der Natur vorkommenden Orchideen sind streng geschützt und dürfen nicht ausgegraben werden. Seit einigen Jahrzehnten ist es aber gelungen, viele Arten von winterharten Erdorchideen in großen Mengen vegetativ oder aus Samen zu vermehren. Dies gilt auch für unsere heimischen Arten, so dass es möglich wurde, dass auch Orchideen ohne besondere Vorbereitungs- oder Pflegemaßnahmen in unseren Gärten kultiviert werden können, womit auch ein Stück Naturschutz geleistet würde, denn viele Arten sind vom Aussterben bedroht, da der Mensch ihnen zunehmend die natürlichen Lebensräume nimmt. Wo draußen Orchideen gedeihen, ist die Welt noch in Ordnung. Ihre Standorte weisen auf einen Rest ungestörter Natur hin mit der Hoffnung und Mahnung für uns, diese zu erhalten und zu vermehren. Im Garten können wir dazu den ersten Anfang machen!
Das Orchideenjahr fängt schon sehr früh an, denn manche Knabenkräuter schieben in „Erinnerung“ an ihre mediterrane Herkunft die Spitzen ihrer Blattrosette noch im Herbst aus dem Boden, so dass man schon im Winterschnee der Entfaltung dieser Edelsteine zuschauen kann, zum Beispiel bei unserer „Orchis mascula“, die schon im Februarschnee eine wunderschöne sattgrüne Blattrosette mit braunen Flecken ausgebildet hat (auf dem Foto zusammen mit dem Vorfrühlings-Alpenveilchen in einem Garten in Göttingen)
Foto: Jochen Hartmann

Orchis ist im Griechischen die Bezeichnung für Hoden, mit denen die beiden Knollen (die alte und die neue) unter der Erde eine große Ähnlichkeit haben.
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Foto: Jochen Hartmann

Den Bauplan einer Orchideenblüte kann man sehr schön bei einer Sumpfwurz (rechts) erkennen: Drei äußere Blütenblätter (bräunlich gelb) und drei innere Blütenblätter ( violett mit Streifen), dabei ist das untere innere Blütenblatt besonders geformt (Lippe, Pantoffel o.ä.). Orchis mascula kann man in kleinen Gruppen schon im April im Kalkbuchenwald finden, z.B. auf dem Westerberg bei Göttingen. Im lichten Schatten wirken die Pflanzen allerdings weniger „stattlich“:
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Foto: Jochen Hartmann

Größere Prachtexemplare findet man auf trockenen Rasen auf Kalkboden, wo oft Tausende von violetten Blütenähren das Orchideenjahr einläuten. Zusammen mit gelben Echten Primeln und den weißen Großen Windröschen hat das Stattliche Knabenkraut am Hohen Meißner (NSG Bühlchen) ein einmaliges wahres Blütenparadies geschaffen:
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Foto: Jochen Hartmann

In der Nähe des NSG Bühlchen kann man noch zwei weitere sehr früh blühende Orchideen finden: Oben auf der „Hausener Hute“ neben den Sendemasten des Hohen Meißners das ganz seltene gelb blühende Holunder-Knabenkraut (Dactylorhiza sambucina) und unten im Werratal das viel häufigere Purpur-Knabenkraut (Orchis purpurea):
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Foto: Jochen Hartmann

Beide Arten sind wahre Edelsteine“ in der großen Familie der Orchideen, die jetzt im April mit ihrem spektakulären Blütenfest beginnt, das wir auch in den nächsten zwei Monaten noch besuchen und dokumentieren wollen. Freuen wir uns darauf!

Foto: Jochen Hartmann

Zur besseren Orientierung haben wir Ihnen 3 Karten hinzugefügt. Der Westerberg bei Göttingen ist jeweils auf den Karten gekennzeichnet.
Karte 1
Karte 2
Karte 3


erstellt von J. Hartmann ehemaliger Schüler und Lehrer des FKG Göttingen, konfiguriert von Hakan P., März 2016